Auswanderung

Vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gab es viele Wittnauer, die aus dem Fricktal auswanderten, um fern der Heimat ihr Glück zu suchen. 

 

von Basel bis Le Havre mit der Eisenbahn
von Basel bis Le Havre mit der Eisenbahn
von Le Havre bis Philadelphia oder New York mit dem Segelschiff
von Le Havre bis Philadelphia oder New York mit dem Segelschiff

 

Von 1737  an wanderten mehrere Wittnauer Familien - insgesamt rund 50 Personen - nach Ungarn aus. Es ist anzunehmen, dass sie sich alle im Banat niederliessen. Die Österreichisch-Ungarische Monarchie unternahm seit 1718 Anstrengungen, in dieser von den Türkenkriegen entvölkerten und von Sümpfen durchzogenen Gegend deutschsprachige Kolonisten anzusiedeln. Heute liegt das Banat in den Ländern Rumänien, Serbien und Ungarn.

 

Manchmal waren es auch Einzelpersonen, die ihr Heimatdorf verliessen. Nicht selten zogen junge Wittnauerinnen in den Schwarzwald oder ins Elsass um dort eine Anstellung anzunehmen oder zu heiraten.

 

In den Jahren nach 1850 nahm die Bevölkerungszahl der Gemeinde Wittnau markant ab. Verursacht wurde dieser Rückgang durch eine starke Auswanderungswelle, so genannte "Armenschübe". Die aus Amerika eingeschleppte Kartoffelfäule hatte mehrere Missernten in Folge verursacht. Zudem stellten Krankheiten und eine Teuerung bei Lebensmittel- und Bodenpreisen die Landbevölkerung vor grosse Probleme. Viele träumten davon, der Armut zu entkommen und in Amerika – "in der Neuen Welt" – eine neue Existenz aufzubauen. 

Dass mittellose Bürger den Schritt ins Ungewisse wagten, wurde von den Gemeindebehörden aktiv unterstützt. Armengenössige, denen die Gemeinde den Hauszins bezahlte, wurden vom Gemeinderat direkt angefragt, ob sie nicht auswandern wollten. Jenen Familien und Einzelpersonen, die sich entschlossen nach Amerika zu ziehen, offerierte die Gemeinde das Reisegeld, jedoch mit der Erwartung, dass sie sich nie wieder blicken liessen.

Schliesslich brachte die Gemeinde insgesamt 3400 Franken für die Auswanderungskosten auf. Trotzdem konnte die Gemeinde mit diesem "Geschäft" viel Geld sparen: Wären die verarmten Familien nämlich in der Heimat geblieben, hätte die Wittnauer Armenkasse für ihren Lebensunterhalt aufkommen müssen.

 

Ein denkwürdiger Tag war der 12. August 1850. An diesem Sommertag verliessen Dutzende Wittnauer ihre Heimat, in der Hoffnung, in Amerika sei das Leben leichter zu meistern als hier. Auch viele Familien mit Kindern machten sich auf den Weg ins Ungewisse. 

Wie es den Familien in der neuen Heimat  erging und ob sie in Amerika ihr Glück gefunden haben, davon wissen wir heute nur wenig Konkretes. Immerhin ist bekannt, dass ein Teil der Auswanderergruppe, 25 Personen aus Wittnau, die Überfahrt ab Le Havre über den Atlantik im Schiff namens «Noemie» schaffte und am 2. Oktober 1850 in Philadelphia ankam.
Über ihr weiteres Schicksal ist leider z.Z. nichts Konkretes bekannt.

 

Hier geht es zu den Passagierlisten der Auswandererschiffe «Noemie» und «Splendid».

 

Ein Beispiel unter vielen:

Unter den Auswanderern war auch Fridolin Herzog. Am 15. Januar 1850 starb seine Frau Magdalena. Am 12. August des gleichen Jahres wanderte er mit seinen drei Söhnen Fridolin (14 J.), Daniel (11 J.) und Heinrich (8 J.) nach Amerika aus. Am 2. Oktober 1850 kame sie in Philadelphia an. 

(Kopie aus dem Familienbuch, Pfarrarchiv Wittnau)

NB. Vater mit den 3 Söhnen nach Amerika gezog[en] den 12ten August 1850.
NB. Vater mit den 3 Söhnen nach Amerika gezog[en] den 12ten August 1850.

 

Abgeschoben: 

Auch Personen, die den Behörden nicht in den Kram passten, wurden nach Amerika befördert. Ein entsprechendes Beispiel ist im Protokollbuch des Wittnauer Gemeinderates nachzulesen. 

Anfang August 1850 bekam der Gemeinderat vom Bezirksamt Laufenburg die Meldung, der Wittnauer Bürger Hieronimus Fricker sei in Waldenburg (BL) wegen Bettelns in Haft. Am 8. August beschloss die Gemeindebehörde, Ammann Johann Rüetschi soll den Inhaftierten abholen, "damit derselbe mit den anderen nach Amerika verreisen könne"

So kam es dann auch. Wir wissen, dass Hieronimus Fricker auch unter jenen Wittnauern war, die ihre Heimat am 12. August in Richtung Amerika verliessen. 

Dass seine Frau Anna im Voraus von der Auswanderung in die Neue Welt wusste, ist nicht sicher. Zwei Wochen nach der Abreise beschloss der Gemeinderat, der ortsabwesenden Gattin zu schreiben und ihr mitzuteilen, ihr Mann erwarte sie in Philadelphia.

 

Der originale Wortlaut der Gemeinderatsprotokolle ist hier nachzulesen.  

 

Im Frühling 1851 verliess Anna Fricker mit ihrem Sohn Adolph zusammen mit einer nächsten Wittnauer Gruppe die Schweiz und kam am 31. Mai mit dem Segelschiff «Splendid» in New York an. Ob sie ihren Gatten Hieronimus in Amerika je wieder traf, entzieht sich unseren Kenntnissen.

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Zu Dokumenten des Gemeindearchivs rund um das Thema Auswanderungen  ►

 

Einige alte Fotos aus der neuen Heimat können Sie hier sehen.  

 

Filmsequenz   (Wittnauer Gemeinderatssitzung um 1850; nachgestellte Szene

                         aus der 12-teiligen SRF-Dokumentation von 1986

                         «Der Weg zur Gegenwart», Teil 9: «Adieu, mein Vaterland»

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In eigener Sache:

Über das Thema "Auswanderung" gibt es noch sehr viel mehr zu berichten. 

Gerne würde ich auf der Homepage «Wittnau einst» Dokumente (z.B. Briefe) und weitere Bilder von ausgewanderten Wittnauern veröffentlichen. Besitzen Sie solche Unterlagen? Oder wissen Sie, wo solche erhältlich wären?

Nehmen Sie doch bitte mit mir Kontakt auf!                Christoph Benz