Grundsätzliches zum Thema 

 

Gemeindearchiv

 

(ein Text von Martin Strebel, Papierrestaurator, Hunzenschwil)



Wieso soll man Geld in ein Gemeindearchiv investieren? 

Die Informationen in den Gemeinderatsprotokollen, Plänen, Urkunden mit Siegeln usw.) sind für die Geschichtsforschung unentbehrlich. Ohne diese Informationen, die Einblick in das Gemeindeleben vor hunderten von Jahren geben ist keine Forschung möglich und es können keine Texte und Bücher zur Geschichte des Dorfes verfasst werden. Gehen lose Blätter oder Bruchstücke mit Text von Siegeln verloren, verliert man auch interessante Informationen. Haftet die Schrift auf Pergamenturkunden infolge von Schimmel oder aufgrund des hohen Alters der Urkunde nur noch schlecht, geht bei jedem Bewegen solcher Urkunden Text verloren. 

 

Wie können Archivalien aus dem Gemeindearchiv

für die nächsten Hunderte von Jahren erhalten werden?

Um die Akten und gebundenen Handschriften erhalten zu können,

sind folgende Voraussetzungen nötig:

    •   sachgerechte Lagerung im Archiv;

    •   gutes ausgeglichenes Raumklima;

    •   liegende statt stehende Lagerung von grossen, schweren Büchern maximal 2 gestapelt;

    •   Gestelle mit Regalfachböden, die nicht zu glatt, aber auch nicht zu rau sind.

       Bei glatten Regalfachböden kommt es zu Verkrümmungen der Bände,

    •   weil die Bücher nach unten wegrutschen und in schräger Position verharren.

       Bei rauen Regalfachböden kommt es zu Abrieb und Schäden an den Deckelkanten; 

    •   Sauberkeit im Archiv (Staub im Archiv und auf den Büchern führt

       bei zu hoher Luftfeuchtigkeit zu Schimmelbefall;

    •   Restaurierungen von beschädigten, gebundenen Handschriften, losen Akten Urkunden,

      Siegeln und Plänen;

    •   Restaurierungen auf der Basis eines Schadeninventars;

    •   Erhalt der originalen Einbände an Handschriften;

    •   Schutzbehältnisse auf Mass nach einer Restaurierung;

    •   Schutzbehältnisse ab Stange für alle Handschiften,

       die noch keine Restaurierung benötigen;

Die oben genannten Themen werden unter dem Begriff  "Bestandeserhaltung"  zusammengefasst. Alle genannten Punkte befassen sich mit den Massnahmen die nötig sind, um das Archiv- und Bibliotheksgut über die nächsten Hunderte von Jahren erhalten zu können.

 

Digitalisierung

Die Digitalisierung ist in aller Munde und zurzeit der Trend bei der Erschliessung von Archivalien und Büchern. Der Nutzen der Digitalisierung ist ohne Zweifel unbestritten. Sie ersetzt aber nie den Erhalt der Originale. Die beiden Anliegen Digitalisierung und Restaurierung sind komplementär. Es gibt heute noch keine Speichermöglichkeiten (auch nicht die heute üblichen „clouds“), die sicher sind. Eine Digitalisierung ersetzt nie das Original, weil die haptische und emotionale Qualität nur bei der originalen Handschrift vorhanden ist. Auch die Lesbarkeit einer digitalisierten Schrift ist nicht in jedem Fall gewährleistet. Wird das Original nicht erhalten, kann man bei Zweifeln nicht im Original nachsehen. 

Zu bedenken ist auch, dass digitalisierte Daten gepflegt und über die Jahre immer wieder migriert werden müssen, um deren Lesbarkeit zu erhalten. Sowohl der Speicherplatz als auch die Pflege der digitalen Daten sind kostenintensiv. Der Erhalt von Originalen ist langfristig gesehen günstiger.

Es ist zwar richtig, dass das Original besser geschont werden kann, wenn die Informationen des Originals digital zur Verfügung stehen. Die Erfahrung zeigt aber, dass das Original für die Digitalisierung in gutem Zustand sein sollte, um eine optimale Lesbarkeit generieren zu können. Abbröckelnder Text aufgrund von Tinten-frass oder sprödem Papier sollte vor einer allfälligen Digitalisierung restauriert werden, da es keinen Sinn macht, Schäden und fehlenden Text zu digitalisieren. Ein restauriertes Original gewinnt an Wert und kann bei korrekter Lagerung wieder für sehr lange Zeit erhalten werden. Digitalisierte Informationen können ein Original nicht ersetzen.

 

Der Beitrag von Archivalien an die Gesellschaft

Selbst wenn heutige Generationen den Erhalt des Originals als unwichtig einstufen, werden kommende Generationen ein gut erhaltenes oder restauriertes Original sehr zu schätzen wissen. In der Zeit der Globalisierung unterliegt das Lokale wieder neuer Wertschätzung. Die Suche nach den Wurzeln beginnt oft in lokalen Archiven oder im Wiederentdecken von Flurnamen, was für die junge Generationen oft eine Freude ist. Solche Informationen finden sich nur in den Gemeindearchiven.