24. Juni 2015: Nachdem die letzten der in Wittnau wohnhaften Geschwister aus der Familie Fricker, Lehrers, gestorben waren, hat sich die Erbengemeinschaft entschlossen, ihr Haus und den ganzen Umschwung an die Wohnbaugenossenschaft Wittnau zu veräussern.
Die Genossenschaft hat durch das Architekturbüro Birri, Stein, Pläne ausarbeiten lassen für die Erstellung von drei Mehrfamilienhäusern mit rund 20 Wohnungen im Dorfzentrum.
Es ist schon lange bekannt, dass in der Gegend um die Kirche Überreste einer Besiedlung in römischen Zeiten im Boden liegen.
Seit kurzem stehen die Baugespanne für die Neubauten und das Baugesuch ist eingereicht. Vor wenigen Tagen hat nun ein Team der Aarg. Kantonsarchäologie mit den Baugrundabklärungen begonnen. Zu diesem Zweck wurde bereits ein erster Sondiergraben geöffnet. Römische Spuren kamen schon wenige Zentimeter unter der Oberfläche zum Vorschein.
Wie es scheint, sind mehrere unterschiedliche Bauetappen aus römischer Zeit feststellbar. Bereits sind einzelne Mosaiksteinchen gefunden worden. Spuren einer römischen Bodenheizung (Hypocaust) gehören auch zu den ersten Funden.
26. Juni 2015: Der Sondiergraben wurde in westlicher Richtung weiter abgetieft. Siedlungsspuren kamen zu Tage, unter anderem ein Oberschenkelknochen eines Rindes.
9. Juli 2015: Das Archäologenteam hat nun schon eine grössere Fläche freigelegt.
Nur wenige Zentimeter Humus mussten abgetragen werden und schon kamen die spätrömischen Spuren zu Tage.
17.Juli 2015: Die Grabungen geben immer mehr preis über die Geschichte der römischen Gebäude, die hier standen. Deutlich ist zu erkennen, dass die Hypokaustanlage (röm. Bodenheizung) nicht während der ganzen Zeit in Betrieb war. Wohl etwa zu Beginn des 3. Jahrhunderts wurde die Heizanlage abgebrochen, die Einfeueröffnung in der Mauer zugebaut und der Raum anderweitig genutzt. Die Ziegel, die für eine Hypokaust-Heizung typisch sind – Tonplatten für die kleinen Säulen, die den Boden abstützen und Hohlziegel für die Wände – fanden die Archäologen um einige Meter verfrachtet an anderer Stelle.
Die spätrömische Epoche scheint eine unruhige Zeit gewesen zu sein. Eine Brandschicht aus jener Zeit könnte von einer Brandschatzung des Hauses herrühren. Im gleichen Horizont wurden auch Keramikscherben gefunden, die genau zu jenem Geschirr passen, das auf dem Wittnauer Horn gefunden wurde. Brandschatzung im Tal – Ausbau der militärischen Anlage auf dem Horn: der Zusammenhang ist logisch.
Einige Fundstücke aus der spätrömischen Brandschicht, noch nicht gereinigt und konserviert:
spätröm. Münze (noch nicht bestimmt) Gewandfibel aus
Bronze
Halbmond-Anhänger aus Bronze Teil einer Haarnadel (?) aus Horn
Die Kantonsarchäologie gab interessierten Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit, bei der Ausgrabung selbst Hand anzulegen. Dabei kam in der Schicht über dem römischen Horizont die abgebildete Rosenbrosche zum Vorschein, ein Schnitzerei in Knochen oder Geweih aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.
23. Juli 2015:
Ein weiterer Fund, der von einem Schüler gemacht wurde: Eine Glasscherbe vom Boden eines Trinkbechers aus der Römerzeit.
Auch Scherben von Gläsern mit blauen Verzierungen kamen zum Vorschein.
Von der Kantonsarchäologie entdeckt:
Reste einer römischen Wandmalerei auf dem Verputz einer umgestürzten Mauer.
Durch die Ausführung eines geplanten Bauprojektes mit Tiefgarage im Hinterhof des Oberen Kirchwegs 6 werden die noch im Boden erhaltenen Reste des einst hier stehenden römischen Gutshofes weitgehend zerstört.
Daher gräbt die Kantonsarchäologie Aargau bereits im Vorfeld der Überbauung die römischen Strukturen aus und dokumentiert diese für die zukünftigen Generationen.
Der römische Gutshof ist seit 1929 bekannt. Seit dieser Zeit vermehren sich die Meldungen über Funde und Baustrukturen. Archäologische Untersuchungen fanden ab 1997 statt und tangierten vorwiegend den in Holzbauweise errichteten Wirtschaftstrakt. (pars rustica).
Der westliche Rand des in Stein errichteten Herrenhauses (pars urbana) ist Objekt der aktuellen Untersuchungen. Es konnten bisher drei Bauphasen ausgemacht werden:
Zu der ältestem Phase (2. Jh. n. Chr.) gehört eine über 30 m lange Mauer, deren Funktion noch unklar ist.
Zu der zweiten Bauphase (2. Jh. n. Chr.) gehören drei aufeinander folgende Räume. Zwei sind beheizbar (hypocaust), der dritte ist mit einem Mörtelboden ausgestattet. Zahlreiche bemalte Putzfragmente sowie Bruchstücke von Kalksteinplatten bezeugen eine gehobene Ausstattung dieses Baus.
Die dritte Bauphase (1. Drittel des 3. Jh. n. Chr.) ist durch den partiellen Abbruch der vor-ausgehenden Strukturen und durch Um- bzw. Neubaumassnahmen charakterisiert. Bei den Neubauten handelt es sich vermutlich um Fachwerkbauten.
Nach der Zerstörung und Brand der jüngsten Gebäude bleibt das Gutshofareal bis ins fort-geschrittene 3. Jh. n. Chr. in Nutzung.
© Kantonsarchäologie Aargau, L. Galioto / D. Wälchli (Ende August 2015)